Sonntag, 30. August 2015

Erster Kanada-Eindruck

Man sagt ja immer, dass die Kanadier nett sind, aber ich konnte mir darunter nie was vorstellen.
Seit ich hier bin, weiß ich, was das bedeutet.
Zum Beispiel am Flughafen, als ich mit meinem vollgeladenen Gepäckwagen Richtung Ausgang gestiefelt bin, hat mich ein älterer Herr vorbei gelassen und mich dann gefragt, woher ich komme, weil ich so viel Gepäck hatte. Und ich nur so ganz verdutzt und "I'm a German exchange student" und er meinte, dass es mir hier sehr gefallen wird und dass er sich da sicher ist und dann ist er mit einem "Have a nice day" weiter gegangen. Einfach so.
Und das hat mich irgendwie total ermutigt, nachdem ich gerade den Flug und das Immigration-Prozedere überstanden hatte, dann so empfangen zu werden, von einem Menschen, der mich nicht kennt, nichts mit mir zutun hat und den ich nie wieder sehen werde.
Oder als Anna und ich in den Bus gestiegen sind, war der Fahrkartenautomat kaputt und ich hab den Busfahrer gefragt, wie ich jetzt bezahlen soll und er hat geantwortet, ich soll das einfach bei der nächsten Fahrt machen. Also saßen Anna und ich im Bus und als bei einem Halt eine ältere Dame ausgestiegen ist, hat sie mir einfach so ihre noch gültige Fahrkarte in die Hand gedrückt. Und dann, was ich ja am besten finde, bedanken sie sich hier alle beim Busfahrer, wenn sie aussteigen.

So eine unaufdringliche Freundlichkeit hier. Ich find das einfach toll.

Ein weiteres Klischee... Die Pancakes.
Oh mein Gott, die Pancakes. Meine Gastschwester hat mir schon versprochen, mir zu zeigen wie man die macht, aber ich glaube nicht, dass die in Deutschland jemals so gut schmecken wie hier - ganz einfach, weil es Kanada ist.
Mein Frühstück heute Morgen also: Pancakes mit Ahornsirup.
Geht es noch besser?

Und dann noch kurz was Aktuelles aus British Columbia:
Es gab hier einen ziemlich heftigen Sturm gestern, sodass ungefähr 400.000 Menschen in Vancouver und auf Vancouver Island keinen Strom hatten - von anderen Austauschschülern weiß ich, dass manche Haushalte bis zu 25 Stunden vom Netz waren.
New Westminster ist, soweit ich das mitbekommen habe, davon beinah verschont geblieben, wir hatten hier jedenfalls durchgehend Strom.
Hierhier und hier sind ein paar Bilder und Videos von den Folgen, die der Sturm hatte.

Demnächst wird vermutlich ein Bericht über meine Orientation (eine Eingewöhnungs- und Kennenlernwoche von meiner Schule aus) folgen.

Erster Eindruck

Jetzt bin ich also schon seit ziemlich genau zwei Tagen hier und fühl mich einfach nur richtig wohl.
Also, richtig richtig.
Klar, es ist komisch, dass hier jeder die Tür zu seinem Zimmer offen lässt und zwar immer. Und es ist genauso komisch für mich, dass den ganzen Tag der Fernseher läuft und man nicht zusammen isst, gleichzeitig ja, aber jeder wo er gerade lustig ist. 
Aber das macht es nicht besser oder schlechter hier, sondern nur anders. Und ich mein, genau deswegen bin ich ja hier, oder?

Im Allgemeinen ist in diesem Haus immer etwas los und sowohl gestern als auch vorgestern Abend war auch Besuch da. Man stelle sich also vor, fünf andere Menschen, drei Hunde, ein Baby und ein Fernseher, eine andere Sprache und Hannah mitten drin, leicht gejetlagt. 
Aber der Mensch ist ja anpassungsfähig und da alle äußerst verständnisvoll sind, was meine Müdigkeit betrifft, war es überhaupt kein Thema, dass ich dann nach dem Essen fast sofort Schlafen gegangen bin.

Meine Gastfamilie ist einfach nur richtig sympathisch. Ich komm mir gar nicht vor, als wäre ich erst seit zwei Tagen hier und ganz ehrlich, noch besser geht's mir, wenn sie mich dann auch mal mithelfen lassen, zum Beispiel beim Spülmaschine ausräumen :D 

Der Jetlag, falls es überhaupt einer war, hat jetzt, am zweiten Tag schon deutlich nachgelassen. In der ersten Nacht - ich bin so gegen 22 Uhr Pacific Time ins Bett, also 7 Uhr morgens in Deutschland, in Bett - bin ich morgens um halb fünf aufgewacht und konnte nicht mehr einschlafen. 
Um 14 Uhr hab ich dann gestern auf einmal den großen Drang verspürt, Mittagsschlaf zu machen, was nur daran liegen kann, dass es in Deutschland gerade 23 Uhr war. 
Den ganzen restlichen Tag hab ich damit verbracht, gegen meine Müdigkeit zu kämpfen und um 21 Uhr hab ich mich dann ergeben, nur um dann mitten in der Nacht, genauer gesagt um 3 (!) wieder aufzuwachen - aber da konnte ich zum Glück wieder einschlafen, deswegen war das nicht ganz so schlimm. Den ganzen Tag war ich noch nicht müde, aber ich denke, ich werde trotzdem nicht allzu spät schlafen gehen, da morgen früh die Orientation beginnt und ich nicht riskieren will, da nur zu gähnen.

Wie schon erwähnt hab ich bisher noch nicht wirklich viel gemacht hier, aber nachdem ich gefühlt innerhalb der letzten 48 mehr typisch amerikanische Filme gesehen hab, als in Deutschland in einem Jahr und mein Kopf schon leicht matschig war, hab ich meine älteste Gastschwester gefragt, ob es okay ist, wenn ich mir ein bisschen den Ort ansehe.
(Ja, auch wenn New Westminster so aussieht, als gehöre es zu Vancouver, ist es eine Stadt für sich :D)
Jedenfalls hab ich dann Anna, meine koreanische Gastschwester, gefragt, ob sie mitkommen will - sehr gute Idee, sie hat mir nämlich alles gezeigt - und dann sind wir los.
Wir waren bei den Stores hier und dann bei unserer Schule und anschließend war ich noch einkaufen, all den Kram, den ich aus gewichtigen Gründen nicht mitgenommen hab, also so was wie Duschbad, Shampoo und so weiter.
Auf dem Rückweg hat es dann angefangen zu regnen und wir mussten rennen, um den Bus zu bekommen, der fährt nämlich nur alle 30 Minuten, aber wir haben es geschafft.
Und ich war irgendwie die ganze Zeit über unheimlich glücklich, dass ich hier sein darf.
In Kanada.
Was für ein riesiges Glück ich doch habe.

Flug

New Westminster, BC.                      5 pm                 Regen.

Erster Post aus Kanada an meinem zweiten richtigen Tag in diesem Land.

Stille. (Hannah sitzt vor ihrem Laptop und weiß nicht, wo sie anfangen soll.)

Knapp 63 Stunden ist es her, dass ich mich in Frankfurt von meinen Eltern und meinen Geschwistern verabschiedet hab.
Dann bin ich mit Paula (ihr Blog ♥) durch die Sicherheitskontrolle und eigentlich haben wir dann, bis zum Abflug nur noch gewartet. Auf die anderen, darauf, dass wir endlich ins Flugzeug können, dass es los geht. Verspätung von 40 Minuten.

Insgesamt sind wir zu sechst geflogen, alle außer Paula mit ec.se und wir haben schon im Vorfeld so reserviert bzw. eingecheckt, dass wir zwei Dreierreihen hintereinander hatten - richtig praktisch, so konnten wir uns unterhalten, auch mal Plätze tauschen und hatten zwei Fensterplätze. 
Die zehn Stunden Flugzeit sind wahnsinnig schnell vergangen, jedenfalls kam es mir so vor.
Anders als gedacht war ich so voller Vorfreude auf das, was da vor mir lag, dass ich an diesem Tag kein einziges Mal geweint hab, nicht, als ich mich von meiner Familie verabschiedet hab und auch nicht, als ich das Abschiedsbuch und die Briefe gelesen hab. 
Mir war meine Euphorie selbst nicht ganz geheuer, aber zum Glück war ich nicht die Einzige, der's so ging und das ist einer der vielen Gründe, warum ich so froh bin, dass ich nicht allein fliegen musste. 
Ich hab die ganze Zeit geredet und dann hab ich zugehört und genickt und gelacht und es ist so unfassbar beruhigend, jemanden neben sich zu haben, dem es ganz genauso geht, wie einem selbst.

Die zehn Flugstunden sind im Endeffekt so schnell vergangen.
Denn ganz ehrlich, 50% der Zeit verbringt man mit essen, dann noch unterhalten und die Declaration Card (braucht man für die Einreise) ausfüllen, Film gucken, Musik hören, wieder essen, aus dem Fenster schauen, sich freuen, Angst vor der Immigration haben, Abschiedsbuch lesen, essen, Abschiedsbriefe lesen und oh, wir sind ja schon fast da.

Wir sind in einer Boeing 747-400 geflogen und das Ding hat zwei Decks (sagt man das auch beim Flugzeug so?) und entsprechend viele Menschen sind nach der Landung um Mitternacht deutscher Zeit Richtung Passkontrolle geströmt. Bis wir alle durch die Passkontrolle durch waren, hat die Uhr 15:40 Uhr gezeigt und dann noch Gepäck holen und Immigration. Oh man. 
Das einzig Gute an der langen Passschlange war, dass wir beim Gepäck nicht so lange warten mussten. Dafür standen dann bei der Immigration umso mehr Menschen an. 
Eigentlich muss man dort nur sein Visum, seinen Pass und den "Letter of Acceptance" der kanadischen Schule vorzeigen und dann kriegt man so ein riesiges Papier in die Hand gedrückt, von dem die Beamten sofort wieder mehr als die Hälfte abreißen. 
Und davor hatte ich also Angst, haha.

Ich hab mich dann von den anderen verabschiedet, die noch nach Victoria weitergeflogen sind (Gott sei Dank musste ich das nicht, die saßen noch auf dem Flughafen, als ich schon fast im Bett war) und bin dann Richtung Ausgang, wo mein Gasteltern mit ihrer Enkeltochter auf mich gewartet haben.
Und dann war ich so richtig da.
So richtig in Kanada.

Mittwoch, 26. August 2015

Kopfchaos.

Oh Gott.
Nicht mal mehr 48 Stunden und ich steig in Frankfurt in den Flieger.
In den letzten drei Tagen hab ich echt an nichts anderes mehr gedacht, als an Kanada und hab gepackt, der Koffer war zu schwer, hab wieder aus- und umgepackt, dann fehlte doch noch was, Mama, kannst du mal bitte noch das da kopieren, und wo um alles in der Welt ist jetzt das Kabel, hab ich das doch schon eingepackt, und wohin mit dem Blazer, passt nicht mehr rein, muss ich wohl im Flugzeug anziehen.

Kopfchaos.

Und dann heute, der letzte Tag zu Hause.
Nachher die letzte Nacht in meinem eigenen Bett.
Und die Sonne scheint und es ist noch mal richtig Sommer und in weniger als einer Stunde seh ich meine Freunde alle zum letzten Mal für zehn Monate.
Papa hat noch mal so richtig deutsch gekocht, zum Mittag, Bratwurst mit Sauerkraut und ich bin zum letzten Mal durch die Fußgängerzone gefahren und am Pfaffenteich lang und irgendwie...
Es fühlt sich gerade so gar nicht an, als würde ich hier bald nicht mehr sein.
Um ehrlich zu sein bin ich gerade auf eine unheimliche Weise euphorisch.
Warum auch immer.
Ganz ehrlich, die Stimmungsschwankungen, die man als Austauschschüler kurz vor dem Flug hat,
machen einen echt unzumutbar. (Und ich möcht lieber nicht wissen, was meine Mutter vorhin gedacht hat, als ich, anstatt ihr vernünftig zu antworten, einfach nur ganz laut bei Coldplay mitgesungen hab.)

Ganz oft ist es so eine Mischung aus Angst und Vorfreude. Sagen auch die meisten.
Aber Angst hab ich nicht mehr wirklich. Klar, dass irgendwas bei der Immigration nicht klappt, dass was mit meinem Study Permit falsch ist oder dass ich meine Gastfamilie nicht finde - solche komischen Gedanken hat wahrscheinlich jeder kurz vor dem Flug, aber in der Regel sind sie genauso unbegründet wie harmlos. Und sonst... hab ich nicht wirklich Angst. Wovor auch? Die Leute sind da auch nur Menschen, wenn auch anders als wir.
In mir ist eher Zuversicht.
Das wird schon alles klappen, wir werden schon sehen.
Machen wir das Beste draus.

Allerdings kann ich nicht garantieren, dass ich nachher nicht weine.
Aber das gehört dazu, denke ich, und ich bin so unfassbar froh, die letzten Jahre mit Leuten verbracht zu haben, die mir den Abschied jetzt so schwer machen. Es wäre so viel schlimmer, wenn ich sagen würde, ein Glück, dass ich endlich hier weg bin, oder?
Ich bin einfach nur so unbeschreiblich glücklich, dass ich alle diese Menschen um mich habe. Ja, Gegenwart, denn noch bin ich nicht weg.
Und ich bin auch nicht ewig weg und auch nicht ganz.
Und ich komm ja wieder.

Am beruhigendsten ist eigentlich, zu wissen, dass ich in Kanada eine weitere Austauschschülerin als Gastschwester hab. Jedes Mal, wenn wir auf Facebook schreiben, freu ich mich irgendwie wahnsinnig darauf, sie endlich kennenzulernen und außerdem weiß sie ja, wie es einem als Austauschschüler so geht und so wie es sich bisher anfühlt, werden wir zwei uns gut verstehen.
Hoffe ich jedenfalls.

Ob ich mich vor dem Flug noch hier melde, weiß ich jetzt noch nicht, aber ich denke eher nicht,
ich will die letzten Stunden in Deutschland lieber mit meiner Familie als vor dem Laptop verbringen.
Der nächste Post wird dann also schon aus Kanada kommen, oh man,
allein der Gedanke macht mich schon wieder kribbelig.

Donnerstag, 20. August 2015

Kontakt nach Hause?

Eine, wie ich finde sehr interessante Frage ist immer, wie man im Ausland den Kontakt nach Deutschland halten will.

Zu viel ist nicht gut, sagen sie, Heimweh, man spricht dann doch immer nur Deutsch, lernt die Sprache nicht richtig, lebt sich nicht richtig in seinem neuen Zuhause ein.
Zu wenig ist nicht gut, sagen sie, man verliert dadurch seinen Leute in Deutschland aus den Augen.
Und außerdem wollen sie ja auch mitkriegen, was bei einem so passiert, oder? 
Und ich will nicht alles verpassen, was sie zu Hause so machen.
Auch wenn es im Endeffekt wahrscheinlich unvermeidlich ist.

Was für Möglichkeiten hat man überhaupt?

Telefonieren: Kostet. Das ist die erste Assoziation, die mir in den Kopf schießt. Will ich eigentlich nur mit meiner Familie und auch eher zu besonderen Anlässen oder in Ausnahmesituationen.

Skypen: Superpraktisch, finde ich, weil man sich ja nicht nur hört, sondern auch sieht - sofern die Bildqualität das zulässt. Allerdings lohnt sich das vor allem dann, wenn man sich wirklich Zeit nimmt und man nicht nur für fünf Minuten Smalltalk macht. Und in dem Punkt steht einem dann wieder die Zeitverschiebung von 9 Stunden im Weg.

WhatsApp/Facebook: Ganz ehrlich? Meiner eigenen Erfahrung nach verliert man sich eher, wenn man versucht, über solche Messenger in Kontakt zu bleiben - denn was die auszeichnet, ist die ständige oder zumindest regelmäßige Verfügbarkeit. Üblicherweise schreibt niemand ewig lange Texte auf WhatsApp pder Facebook und auf die Frage "Wie geht's dir?" kommt oft nicht mehr als ein "Gut und dir?". Ganz ehrlich, davon hat niemand wirklich was. 
Deswegen hab ich mir eigentlich vorgenommen, WhatsApp und Facebook eher als Notfallkommunikationsmittel nach Hause zu sehen, falls ich jemandem ganz unbedingt und schnell was mitteilen will und andersrum.
Ansonsten würde ich lieber...

E-Mails: schreiben. Warum? Die schnellste und sicherste Variante, jemandem viel von sich zu erzählen. Das ist jedenfalls meine Meinung. Außerdem haben E-Mails, im Gegensatz zu WhatsApp & Co. den Vorteil, dass man nicht stundenlang vor dem Handy hängt, sondern alles auf einmal schreibt. Im Endeffekt haben also beide Seiten mehr davon.

Briefe: find ich an sich echt cool und werd ich sicherlich auch ab und zu mal schreiben, aber da ich noch nicht weiß, wie lange die nach Deutschland brauchen, verlass ich mich da mal lieber nicht drauf.

Und sonst?

Damit jeder, den es interessiert, im Groben an meinen Erlebnissen und Eindrücken in Kanada teilhaben kann, gibt es diesen Blog
In der Zeit vor Kanada war der hauptsächlich dazu gedacht, anderen (zukünftigen) Austauschschülern von einigen Aspekten eines solchen Vorhabens zu berichten. Wenn ich dann weg bin, werde ich hier ab und zu schildern, was ich so erlebt habe, ergänzt durch Fotos und so weiter, 
dann vor allem für meine Freunde und meine Familie in Deutschland, unter anderem auch, damit ich nicht jedem dasselbe persönlich schreiben muss.

Außerdem hab ich mir, extra für Kanada, einen Instagram-Account zugelegt, auf dem ich gelegentlich Bilder posten werde. (Wer mir dort folgen möchte: kanadaimkopf)

Ich bin gespannt, ob das alles so klappt, wie ich mir das vorgestellt habe - bestimmt nicht, haha, aber was soll's :D

Es ist schwierig einen Post überhaupt anzufangen, wenn man selbst nicht weiß,
was man denken soll.
Der Abflug ist mittlerweile so nah, dass ich keine Countdownapp brauche, 
um zu wissen, dass es nur noch acht Tage sind.
Acht verdammte Tage,
viel zu lang, viel zu kurz.

Diese Zeit ist nicht leicht, absolut nicht.
Viele Austauschschüler, wie etwa die Skandinavier oder die USA-Leute, aber auch alle, die nach Südamerika gehen, sind schon weg. Wir Kanadier sind mit die Letzten, fliegen Ende August, Anfang September, pünktlich zum Schulstart in BC am 07. September.
Das heißt einerseits, dass wir die Sommerferien noch genießen können.
Zeit mit unseren Familien, Freunden haben, anders als manche, die gerade einmal 2 Wochen frei hatten, diesen Sommer, bevor sie geflogen sind.
Aber andererseits bedeutet es auch, dass in den Whatsappgruppen mittlerweile ganz andere Themen besprochen werden. Während ich mir Gedanken über's Packen mache, haben die Norweger ihren ersten Schultag, berichten von Problemen mit Gastgeschwistern, Heimweh und und und.

Ich hab die Tage nicht runtergezählt, jedenfalls nicht richtig. 
Hab ab und zu drüber nachgedacht, jeden Freitag mit einer Mischung aus Vorfreude und Erschrecken festgestellt, dass wieder eine Woche weniger Deutschland bleibt, dass Kanada eine Woche näher ist.
Aber realisiert hab ich das nicht.
Und ich glaube, solange ich hier bin, solange alle um mich herum Deutsch sprechen,
solange ich in Gesichter sehe, die ich kenne,
wird mir mein Austauschjahr wie ein Hirngespinst vorkommen und nicht wie etwas, das wirklich passiert.

Es ist erstaunlich, dabei zuzusehen, wie viele von uns doch von einst himmelhochjauchzender Euphorie in sentimentale Abschiedstraurigkeit verfallen.
Wie oft habe ich in den letzten Monaten den Satz "Ich will eigentlich gar nicht weg" gehört oder auch selbst ausgesprochen? Irgendwann hab ich aufgehört, mitzuzählen.
Selbst den größten Austauschfanatikern wird in den Wochen vor dem Abflug klar, was für ein unglaublich großes Glück sie doch in Deutschland mit ihrer Familie, ihren Freunden haben.
Wir sind hier zu Hause, egal was wir uns vormachen.
Aber ich glaube, auch das gehört dazu. 
Dass man geht. Dass man das zu schätzen lernt, was man hier hat.
Hier zu Hause.
Es gibt ja diesen Spruch, dass man etwas erst verlieren muss, um zu merken, was es einem wirklich bedeutet hat.
Und auch das ist, wenn man so will, einer der Vorzüge, die so ein Austauschjahr hat.
Denn auch wenn wir gehen, auch wenn wir einige Zeit verloren scheinen.
Wir sind ja nicht für immer weg.
Ich komme ja wieder.
Und die Menschen, die einem wirklich wichtig sind, die gehen nicht einfach so verloren.
Und man geht denen nicht verloren.
Ich komme ja wieder.

Aufgeregt bin ich nicht. Ich bin vor allem unheimlich froh, dass ich diese Möglichkeit habe.
Die Möglichkeit, ein Jahr aus zu steigen, ein Jahr Pause zu machen,
alles, was ich bisher so hatte, alles, was ich war, aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
Denn mein Austauschjahr hat mich schon jetzt, bevor ich überhaupt weg bin,
zu einem anderen Menschen gemacht.
Allein die Überlegung, wegzugehen und die Vorbereitung,
all die Gedanken und Gefühle,
nur diese Zeit ist es mir hunderttausend Mal wert,
mich dafür entschieden zu haben,
10 Monate in Kanada zu verbringen.
Und dabei kommt der richtige Austausch ja erst noch.

Mh. Eigentlich sollte das hier ein Post werden, über diese Zeit vor dem Abflug.
Mit allem, was dazu gehört, dem Packstress, den letzten Kontakten mit der Gastfamilie, den Verabschiedungen, der Vorfreude auf Kanada, den unzähligen vorerst letzten Malen.
Aber irgendwie hat das nicht so ganz geklappt.
Denn mein Gott, diese Zeit ist so unwirklich.
Wirklich unwirklich.